2. BEGRIFF GRUNDHERRSCHAFT
Grundherrschaft ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Organisationsformen des Mittelalters
Es ist ein abstrakter zusammenfassender Fachbegriff
In der Quellen finden wir die konkreten Erscheinungsformen der Grundherrschaft:
z.B. Herrenhof /curtis/
Herrenland /mansus dominicalis/
Grundherrschaft /dominium, ius et dominium, potestas, dominatio/
3. WAS IST EINE GRUNDHERRSCHAFT?
Eine Herrschaft über Personen, die von einem Grundbesitzer Land zur Bearbeitung und wirtschaftlichen Nutzung in eigener Regie erhalten haben
Es ist ein grundherrlich – bäuerliches Rechtsverhältnis – als Gegenleistung für die Nutzung von Grund und Boden werden Abgaben und Dienstleistungen verlangt
Wir können über einen:
Herreneigentum des Grundherren
Nutzungseigentum des Grundholden
sprechen
In römisch-rechtlichen Formen unterscheidet man:
Das Obereigentum des Grundherren /dominium directum/
Das Untereigentum des Grundholden /dominium untile/
Die Hintersassen waren zur Treue und Gehorsam verpflichtet – dieses wurde durch die „Huldigung“ gemacht.
Die Hintersassen erwateten in „schlechten Zeiten“ die Hilfe des Grundherren – das bedeutet in wirtschaftlichen Notlagen Erlaß oder Minderung von Abgaben usw.
4. BEGRIFF GRUNDHERR
dominus terrae /beim Justinian im 6. Jahrhundert/
dominus fundi /ab dem 13. Jahrhundert/
„gruntherr“ /eine Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert/
Grundherrschaft und Grundobrigkeit /in der Mitte des 16. Jahrhundert/
5. DIE HAUPTFORMEN DER GRUNDHERRSCHAFT
Villikation
Rentengrundherrschaft
Gutsherrschaft
6. – 10. VILLIKATION
Ist ein „wirtschaftlicher Verband“ der aus einem Herrenhof und einer Anzahl von grundherrlich abhängigen Bauernhöfen besteht – Fronhofsverband
Villikation /villicatio/ - Teilung der Güter in Herren- und Bauernländereien und einer Verschränkung beider Teile dadurch, dass die Bauern zu Diensten auf den Herrenländereien und am Herrenhof verpflichtet waren
im Mittelpunkt steht der grundherrliche Wirtschaftshof /Fronhof, vronehof, Salhof, selihof, terra salica, villa, curtis, curtis dominica, indominicata, mansus dominicalis usw./ - manche villae dienen als Umschlagplätze, Relaisstationen des Transportwesens, Marktnachbarschft
die Elementarzelle des grundherrliches Systems ist mansus oder Hufe /huoba/ - bäuerlicher Kleinbetrieb /verschiedene Typen von mansi /mansus servilis, mansus ingenuilis/ - die Abgaben spiegelten, was sie auch selbst benutzten – Dienst Brot zu Backen, Bier zu brauen
Fronhof wird durch den Herrn oder durch einen Fronhofsverwalter /villicus, maior, iudex, actor/
Villikationssystem hat „Sinn“ bei größeren Grundherrschaften
Die Abgaben, Zinse, Dienste und Frondienste /Burgdienst / werden direkt an die Burg ohne Herrenhof /an den Grundherrn/ abgegeben
Die Abgaben, Zinse, Dienste werden direkt an die Burg mit Herrenhof abgegeben
Die Abgaben, Zinse, Dienste und Frondienste werden an den Fronhof abgegeben
11. RENTENGRUNDHERRSCHAFT
existiert neben der Villikation
die Frondienste wurden durch Grundzinsen abgelöst – ausschließliche Nutzer sind Bauer, die Fronhofe dienen als Hebestellen für die Abgaben
im 12. – 13. Jahrhundert zerfallt die Villikation, auf Grund der allgemeinen wirtschaftlich-sozialen Organisationsform dann haben wir eher die Rentengrundherrschaft
12. GUTSHERRSCHAFT
ab 15. Jahrhundert
Gutswirtschaft, Großgrundbesitz, der einheitlich landwirtschaftlich genutzt wird, alles ist in der herrschaftlichen Hand und Arbeitsregie
Im Mittelpunkt stand oft eine Burg oder Herrenhaus mit großen Gutshof dem kleinere Wirtschafthöfe untergeordnet waren – auf dem Gutshof war fest engagiertes Gesinde, keine Manzipien, Tagelöhner, Lohnarbeiter
Umwandlung der Naturalabgaben in Geldrenten, aber nicht im ganzen Gebiet
13. DIE INHABER DER GRUNDHERRSCHAFT
König
Landesfürsten
Angehörige des hohen und niederen Adels
Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen
Domherren, Stiftsgeistliche, Pfarrer
geistliche und weltliche Korporationen
Städte
einzelne Bürger
14. TYPEN DER GRUNDHERRSCHAFT
Königliche Grundherrschaft
Kirchliche Grundherrschaft
Adelige Grundherrschaft
Landesherrliche Grundherrschaft
Städtische und bürgerliche Grundherrschaft
15 – 17. REICHSGUT, KÖNIGSGUT, KRONGUT
Im frühen Mittelalter haben wir kein Unterschied zwischen dem Reichsgut und Hausgut
Ab dem 11. Jahrhundert beginnt man zwischen dem Krongut und Hausgut zu unterscheiden
Die treuen Anhänger wurden aus dem Reichgut belohnt
Pfalzen und Königshöfe dienten als Aufenthaltsorte des Königs und seines Gefolges
3 Kategorien:
Tafelgut – es wurde unmittelbar im Auftrag des Königs bewirtschaftet und von ihm genutzt
Amtgut – das Gut als Zubehör eines Amtes an die königliche Beamten – es ist an das Amt gebunden und nur zur Nutzung während der Amtszeit überlassen
Reichslehngut – wurde vom König benutz, um Vasallen zu gewinnen
Verwaltung des Kronguts durch Krongutsverwalter /domestici/ - die gehören in der Merowingerzeit zu den höchsten königlichen Amtsträger
Königshöfe /villae/ waren in der Karolingerzeit in die Fiskalbezirke /fisci/ zusammengefasst
Ein Fiskalbezirk ist einem Domänenamtmann /iudex, actor, exactor, procurator/ untergeordnet
Zum Amtsbereich /ministerium/ gehörten kleine Wirtschaftshöfe, die von den „Meiern“ /maiores/ bewirtschaftet werden
18. – 19. KIRCHLICHE GRUNDHERRSCHAFT
In der merowingischen und karolingischen Zeit wuchs der kirchliche Besitz stark an
Ihre Besitze wurden durch Schenkungen, Kauf und Tausch vermehrt
Kirchliche Grundherrschaft war am Anfang ein einziges Komplex, in der karolingischen Zeit begann eine Aufgliederung in Sondervermögen – man unterscheidet zum Beispiel zwischen dem Abtsgut und dem Kapitelgut
Gründe für den Erwerb und wirtschaftliche Nutzung von Grundbesitz:
Sicherung der Existenz /Ernährung und Bekleidung der Geistlichen, Nonnen und Mönche aber auch Laien, die im Dienst der Kirche standen; Instandhaltung der Kirchen und anderen Gebäuden/
Erfüllung der karitativen Aufgaben /Errichtung von Hospitälern, Herbergen, Versorgung der Weisen und Witwen, Armen und Kranken, Milderung der Hungersnoten/
Abgaben und Waffenhilfe /kirchlicher Grundbesitz musste als Lehen an Vasallen vergeben werden, dass man auch die Waffenhilfe leisten konnte/
Beherbergen des Königs in den Bischofsitzen und Reichsabteien
Bei den Bistümern und Reichsabteien war der König der oberste Schirmherr /defensor/, der einen Vogt /advocatus/ einsetzte, falls es diese Sache dem Bischof oder dem Abt nicht überließ
Einen Sonderstatus erhielten diejenigen Bistümer, Klöster und Stifter, denen die Immunität von dem König verliehen wurde, die mit dem Königschutz verbunden war /defensio, tuitio oder mundiburdium regis/ - es wurde den öffentlichen Beamten /Grafen/ die Betretung des Immunitätsbezirkes verboten und die Erhebung von Abgaben untersagt.
20. ADLIGE GRUNDHERRSCHAFT
Der Grundbesitz der weltlichen Adeligen /Reichsaristokratie – Herzöge, Markgrafen und ein Teil der Kronvasallen/ wurde durch die Schenkungen des Königs vermehrt, Usurpation, Unterwerfung kleiner freien Grundbesitzer, grundherrliche Rodungstätigkeit
Vasallen werden mit Grundbesitz /zur Nutzung/ ausgestattet – als Gegenleistung müssen sie Kriegspflicht leisten
Die Reichsaristokratie verfügt über sehr großen Besitz – das Grundbesitz wird durch Beamten verwaltet, kleine Grundherren bewirtschaften ihren Grundbesitz selbst mit Hilfe von Unfreien
Der adlige Besitz kann von unterschiedlicher Rechtsqualität sein /Eigengut – Allod, Amtsgut, Lehen/
21. ANDERE GRUNDHERRSCHAFTEN
Landesherrliche Grundherrschaft
Städtische und bürgerliche Grundherrschaft
Im spätem Mittelalter konnten auch Städte und Bürger Grundbesitz haben
Die Bürger bewirtschaften den Grundbesitz nicht selbst – nutzen es als Rentengrundbesitz
Die Bürger konnten keine Vasallen haben
Der Besitz war lehnrechtlich gebunden – der Bürger war nur der Lehnsinhaber
22. – 25. GRUNDHERRSCHAFTLICHE FAMILIA
Familia – ist eine Rechts-, Arbeits- und soziale Gemeinschaft die zur einen Grundherrschaft gehört. Es ist ein Personenverband, dessen Angehörige dem Hofrecht unterstanden. Es sind Personen die in unterschiedlicher rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Stellung waren.
Die Grundholden:
Die Fronhöfe wurden mit Hilfe der Unfreien - mancipia, servi – bewirtschaftet – diese konnten verkauft, vertauscht oder verschenkt werden /unbehauste Unfreien – servi non casati/
Herr übergab den Sklaven einen Hof /mansus, huoba/ zur relativ selbständigen Bewirtschaftung – von Sklaven werden selbständig wirtschaftenden Bauern mit beschränkter Rechts- und Geschäftsfähigkeit /behauste Unfreie - servi casati/
- sie bildeten die familia servilis
Halbfreie/Minderfreie /liti, liberti, coloni, aldiones/ - sie bildeten sich von den Unfreien, die das Land zur Bearbeitung bekamen - bildeten in der Familia eine eigene Gruppe – familia lidilis
- die Freigelassenen blieben in einer Schutzhörigkeit des Herren
- die Zahl der Minderfreien ist dadurch gestiegen, dass sich die freie Leute nicht nur in die grundherrliche, sondern auch in die persönliche Abhängigkeit begeben
Freie /liberi, ingenui/ - verpflichtet dem König zu Heeres – und Gerichtsfolge, dem Grundherr unterstanden sie nur in Angelegenheiten, die sich aus dem grundherrlich-bäuerlichen Rechtsverhältnis ergaben – mit der Zeit wurden sie aber fester an den Grundherren gebunden /Grundherr als „Vertreter der Staatsgewalt/
Es kommt zur einen Differenzierung innerhalb der Oberschicht der Familia.
die Verwalter der Fronhöfe /Meier, villici/ kommen aus der Familia
die Inhaber der Hofämter /Marschall, Kämmerer, Truchseß, Mundschenk/ - bilden die Oberschicht der Familia
die ritterlichen Dienstmänner aus der königlichen Familia /ministeriales/ - bilden eine neue soziale Schicht – das niedere Adel – werden zur kleineren Grundherren
26. HOFRECHT UND HOFGERICHT
Die Angehörigen der Grundherrschaft bilden einen Gerichtsverband – rechtliche Regelungen innerhalb der Grundherrschaft in der Fragen des grundherrlich-bäuerlichen Verhältnisses und Streitigkeiten, für die Kriminalfälle waren die Gerichte mit der landrechtlichen Kompetenz zuständig. Am Anfang war das Hofrecht ein ungeschriebenes Recht, ab dem 11. Jahrhundert haben wir auch schriftliche Regelungen.
Hofgericht /Hubgericht, Bauding, iudicium hubaticum usw./ auch Dinggericht genannt – der Vorsitzender war der Grundherr oder sein Vertreter /villicus, Meier, Vogt, Schultheiß/. Die Teilnahme war für die Grundholden Pflicht, wenn sie nicht erschienen sind, dann mussten sie Buße zahlen.
27. LEIHERECHT UND LEIHEFORMEN
Die Bauern bekamen ihre Güter als „Leihe“ von dem Grundherr
Nutzungsrechte an das Haus und Hof, Grund und Boden
Wir kennen verschiedene Rechtsformen /Leiheformen/ - die meist verbreitete war die
Prekarie /precaria/ - das Land wurde von einem Großgrundbesitzer an einen Bauern auf Lebenszeit oder für mehrere (bis zu drei) Generationen verliehen. Prekarien wurden von den Kirchen beurkundet, werden aber auch im Verhältnis zum dörflichen Adel bestanden haben. Es ist eine Rechtsform bei der sich die freien Leute ohne verlieren ihres freien Standes in die grundherrschaftliche Bindungen begeben.
Wir kennen verschiedene Formen der Prekarie
3 Hauptformen der Leihe:
Erbzinsrecht – Haus und Hof, Grund und Boden werden geerbt, man konnte es mit der Zustimmung des Herrn verkaufen oder tauschen.
Leihe auf Lebenszeit – das Gut wir nur an die Lebenszeit vergeben, der Grundherr musste es nicht weiter an die Erben überreichen
Kurzfristige und widerrufliche Leiheformen – das Gut wir bei dieser Form an mehrere Jahre vergeben /3, 6, 9 oder 12 Jahre/ - hängt mit dem Dreifelderwirtschaft zusammen.
Im jährlichen Wechsel wurde ein Feld mit dem vor dem Winter gesäten Wintergetreide (damals Roggen, Emmer) und eines mit dem nach dem Winter gesäten Sommergetreide (Hafer, Hirse, Gerste) bestellt. Das dritte Feld blieb als so genannte Brache ackerbaulich ungenutzt. Es diente jedoch als Viehweide und Unkraut wurde gejätet. – Der Flurzwang schrieb den Bauern die Fruchtfolge vor.
28. – 30. DIE ABGABEN UND DIENSTE
Die Abgaben und Dienste dienten zur Versorgung der Grundherren mit Mitteln in Form von landwirtschaftlichen Produkten, Erzeugnissen des ländlichen Handwerks und Geld.
Grundzins /census, census de rure, landsuldi/ - das Entgelt für die Nutzung von Grund und Boden in unterschiedlicher Höhe in Form von Getreide oder Geld, in Vieh, Geflügel und Eiern. Es war in einer Höhe festgelegt, das die Zinspflichtige von der Steigerung geschützt waren
Weidenzins /pascuaria, decima silvatica/ - für die Nutzung der grundherrlicher Wälder und Weidenflächer
Laudemium – beim Wechsel des Besitzers erhielt der Grundherr von dem abziehendem Bauer das Abfahrtsgeld und von dem neuen Inhaber des Hofes das Auffahrtsgeld, beim Absterbend des Hofinhabers mussten die Erben auch ein Laudemium zahlen
Mortuarium – der Herr hatte ursprünglich das Recht auf den ganzen Nachlass des Unfreien, dann nur das beste Stück Vieh beim Tode des Mannes, das beste Gewand beim Tode einer Frau.
Kopfzins /census de capite, census capitalis/
Heiratsgebühr /maritagium, Bedemund, Bumede/- es wurde meistens beim heiraten einer Frau verlangt, die sich mit einem fremden Leibherren oder Grundholden verheiratet
Wachszins – Abgabe des Wachses an die Kirche als Zeichen der Freiheit unter dem Schutz der Kirche
Zehnt /decima/ - ist eine Abgabe des kirchlichen Ursprungs. Es war eine Ertragsquote in der Höhe des zehntes Teiles des Erntertrages an Getreide /großer Zehnt/, von Gemüse und Obst der „kleine Zehnt“ und vom Schlachtvieh der „Fleisch- oder Blutzehnt“
Frondieste /servicia, operae, opus servile, Robot, Scharwerk usw./ - im frühem Mittelalter waren die Unfreien unbegrenzt dienstpflichtig. Die Bauern unfreien Standes hatten in der Regel drei Tagen pro Woche Frondienst zu leisten. Die Freien mussten Dienst nur in der Zeit der Aussaat und der Ernte zu leisten. Verschiedene Dienste – plügen, eggen, umzäunen, säen, ernten, Fuhrdienste, Wachdienste, Mithilfe bei der Jagt. Der Fondienst musste mit eigenen Tieren und Arbeitsgeräten geleistet werden, in manchen Grundherrschaften bekamen sie Essen und Trinken.
Die Frondienste konnten durch Geld abgekauft werden /Frongeld usw./
Die Belastung durch Abgaben und Frondienste war sehr unterschiedlich. In der Regel war es so, dass die Bauern nicht mit allen Abgaben und Diensten belastet wurden, aber im Allgemeinen blieb dem abhängigen Bauern nicht mehr als das Existenzminimum.